Der kleine Prinz und der Pillenhändler

„Guten Tag“, sagte der kleine Prinz.
„Guten Tag“, sagte der Händler. Er handelte mit höchst wirksamen, Durst stillenden Pillen.
Wenn man eine schluckt, spürt man überhaupt kein Bedürfnis mehr zu trinken.
„Warum verkaufst du das?“, fragte der kleine Prinz.
„Das ist eine große Zeitersparnis“, sagte der Händler. „Die Experten haben Berechnungen angestellt. Man spart dreiundfünfzig Minuten in der Woche.“
„Und was macht man mit diesen dreiundfünfzig Minuten?“
„Man macht damit, was man will …“
„Wenn ich dreiundfünfzig Minuten übrig hätte“, sagte der kleine Prinz, „würde ich ganz gemächlich zu einem Brunnen laufen…“

Bien & Milb 5

Die Merkmalsausprägungen der Individuen einer Population streuen gemäß Gaußscher Normalverteilung. Es gibt einen Mittelwert, der am häufigsten vertreten ist, und abweichende Werte, die in der Häufigkeit jeweils abnehmen in Richtung der beiden Extremwerte (z.B. besonders groß ↔ besonders klein). Die Merkmalsausprägungen, die Varroafestigkeit begünstigen, liegen unter Behandlungsbedingungen abseits der Mittelwerte der jeweiligen Merkmale. Deshalb sterben befallene Völker, obwohl sie Anlagen in sich tragen, die bei stärkerer Ausprägung ein Überleben ermöglichen wurden. Die zum Überleben notwendigen Werkzeuge sind aber in der Population bereits vorhanden (aber eben nicht vorherrschend). Die Mittelwerte der Merkmalsausprägungen führen für die Völker in der Summe nicht zu einem auskömmlichen Zusammenleben mit der Varroamilbe. (Einzelne Merkmale haben dabei einen unterschiedlich großen Einfluss auf die Varroafestigkeit.) Beim Nicht-Behandeln führt Selektion zur Verschiebung von Mittelwerten.

Beispiele für besondere Merkmalsausprägungen könnten sein: Höhere Bruttemperaturen oder längere Brutpausen, oder eine ausgeprägtere Tendenz zum Angreifen von Milben, oder eine höhere Sensitivität beim Ausräumen befallener Brut (und viele andere mehr). Solche Eigenschaften, die „normalen“ Umständen keine besonderen Vorteile bringen und im Mittel eher gering ausgeprägt sind, werden bei der Selektion bevorzugt, wenn sie unter veränderten Umweltbedingungen (keine Behandlung mehr) Überlebensvorteile bringen.

Dazu können in einer vielfältigen Population einzelne Völker mit jeweils besonders ausgeprägten Eigenschaften jeweils einen Beitrag leisten. Beim einzelnen Volk reichen diese jeweils besonders ausgeprägten Merkmale vielleicht noch nicht zum dauerhaften Überleben aus. Wenn aber die Sterbewahrscheinlichkeit verringert ist und dadurch die nächste Generation erreicht wird, dann besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass im Genmix der Folgegeneration Gene, die jeweils einen Teil-Beitrag zur Überlebensfähigkeit beitragen, zusammenkommen. So beginnt durch die von Generation zu Generation immer wieder stattfindende neue Durchmischung der Gene ein Prozess, bei dem vorteilhafte Merkmale angereichert werden bis hin zu dem Punkt, wo eine Population sich selbstständig erneuern und wieder wachsen kann.

Selektion führt dabei direkt und ohne den Umweg über Mutationen zu dieser Anreicherung vorteilhafter Merkmalsausprägungen. Voraussetzung für populationsgenetische Anpassungen ist ein vielfältiger Genpool, der zwar in Verbindung zu anderen Apis mellifera Populationen steht, wo aber der überwiegende Austausch innerhalb der nicht behandelten Population erfolgt. D.h. die Anreicherung vorteilhafter Merkmalsausprägungen und Kombinationen darf durch den genetischen Zufluss von außen nur geringfügig verwässert werden. Es muss ein Selektionsdruck aufrecht erhalten bleiben (keine Behandlung) um immer wieder nachzusteuern.

Regionale Varroafestigkeit

Bericht von einer behandlungsfreien Region Großbritanniens

https://www.naturalbeekeepingtrust.org/natural-selection

Dr. David Heaf beschreibt sein Unbehagen angesichts der Aussicht, dauerhaft – und sei es nur mit organischen Säuren – gegen die Varroamilbe vorgehen zu müssen.

„Auf diese Weise würde ich die natürliche Selektion unterdrücken, den einzigen Prozess, der die Biene zu einem gesunden Überleben in einer von Milben befallenen Umgebung führen kann.“

2007 als Heaf mit den Behandlungen aufhörte war in Großbritannien ein Zustand erreicht, wo statt ursprünglich 2 Behandlungen pro Jahr bis zu 7 Behandlungen durchgeführt wurden bei Winterverlusten von über 30%.

Trotz anfänglich schwerer Verluste hat sich bei Heaf die Verlustrate über alle Jahre dann auf 18% eingepegelt. Heaf arbeitet mit Warre und Schwarmvermehrung.

Als Ursache für die geringen Verluste vermutet Heaf, dass in seiner Gegend – der Grafschaft Gwynedd, einem kleinen geografischem Gebiet – die meisten Imker nicht behandeln.

Wild lebende Honigbienenvölker in Deutschland

https://bienen-nachrichten.de/2019/wild-lebende-honigbienen-deutschland/526

Kohl PL, Rutschmann B. 2018. The neglected bee trees: European beech forests as a home for feral honey bee colonies. PeerJ 6:e4602 https://doi.org/10.7717/peerj.4602

Die beiden Autoren der Studie haben nach wild lebenden Bienenvölkern gesucht. In beiden untersuchten Gebieten – Nationalpark Hainich und Biosphärenreservat Schwäbische Alb fanden sich in naturnahen Buchenwäldern ca. 0,13 Kolonien pro Quadratkilometer. Dabei ist die Ausbreitung der Völker von Häufigkeit und Aktivität des Schwarzspechtes abhängig. (Dem Schwarzspecht genügend alte Bäume stehen zu lassen würde den Bienenvölkern mehr Habitate bescheren.) Aufgrund der Verteilung der Standorte im Wald schlussfolgern die Autoren, dass die wilden Honigbienenvölker nicht in direkter Linie von Imkerbeständen abstammen. Die Zahl der wildlebenden Honigbienenvölker in Deutschland wird auf 4.400 bis 5.600 geschätzt.

Für die Autoren können Honigbienenvölker sowohl als domestizierte, als auch als wild lebende Lebewesen angesehen werden, wobei es den wilden Populationen an Schutz mangelt, da die Honigbiene ja als Nutztier und nicht als Wildtier gilt.

Die Untersuchungen fanden bereits 2016 und 2017 statt und werfen noch mal ein ganz neues Licht auf den Status von Apis mellifera. Möglicherweise haben wir varroa-angepasste Populationen direkt vor unserer Haustür…

Bien und Milb (4) resitente Populationen

Irgendwie haben Apis mellifera und Varroa destructor es in ganz unterschiedlichen Weltgegenden geschafft, miteinander auszukommen. So gibt es resistente Populationen z.B. in Russland, Frankreich, Irland, USA, Südamerika, Südafrika und England. Natürlich wurde versucht, resistente Bienen nach Deutschland zu holen, aber bisher ohne Erfolg. Königinnen oder Völker aus resistenten Populationen können zwar importiert werden. Aber die Resistenz geht dabei verloren.

Was bedeutet Varroa-Resistenz von Honigbienenpopulationen? Wenn von einer jährlichen Verdopplungszahl der Bienenvölker ausgegangen wird, dann bedeutet Resistenz, dass bis zum Sommer des Folgejahres durchschnittlich 50% der Völker überlebt haben und sich wiederum vermehrt haben. In so einem Fall könnte man von Resistenz sprechen.

Warum sterben Völker an der Varroamilbe? Weil die Milben sich stärker vermehren als die Bienen. Alle Faktoren, die das Milbenwachstum bremsen oder unterbrechen, erleichtern die Koexistenz. Nachfolgend ein paar Beispiele für Faktoren, die das Milbenwachstum beeinflussen können: Continue reading Bien und Milb (4) resitente Populationen

Bien und Milb (3) Züchtung

Nur im einfachsten Fall gibt es ein Gen (z.B. beim Merkmal „Blütenfarbe) für das Merkmal „Blütenfarbe weiß“ und ein anderes (Gen-Allel) für das Merkmal „Blütenfarbe rot“.

Beim Menschen kodieren z.B. für das Merkmal „Körpergröße“ Dutzende von Genen oder für „Intelligenz“ noch viel mehr.

Menschen können durch Züchtung den Genpool von Populationen beeinflussen. Durch Auswahl anhand messbarer Kriterien wurde die Honigbiene z.B. in Bezug auf Sanftmut und Honigertrag „verbessert“. Dies geschah, indem jeweils mit den ertragreichsten und sanftmütigsten Völkern weiter gezüchtet wurde. Seit 30 Jahren wird nun versucht, die Bienen varroa-resistent zu züchten. Leider bisher ohne Erfolg.

Theoretisch ist es zwar denkbar mit 1 oder 2 oder 4 Bienen-Genen das Thema Varroa zu erledigen, aber wahrscheinlich ist es komplexer. Wir reden hier vermutlich über hunderte wenn nicht tausende mögliche Allel-Kombinationen, von denen nur ein kleiner Teil das Überleben der Völker sichern kann.

Wenn ich weiße Wachteln züchten will, züchte ich immer mit den hellsten weiter und weiter und weiter. bis ich bei weißen Exemplaren angelangt bin. Das ist dann zwar gegen die Natur, aber eine weiße „Rasse“.

Beim „Zuchtziel“ Varroatoleranz geht es um die Koexistenz von Biene und Milbe. Dabei sollte auch die Milbe in den Blick genommen werden. Bisher ist es nicht gelungen, aus resistenten Populationen Völker oder Königinnen an anderer Stelle behandlungsfrei weiterzuführen. Warum wollen die toleranten oder resistenten Bienenvölker einfach nicht in fremder Umgebung – z.B. bei den Bieneninstituten – gedeihen? Weil es vielleicht auch die Milbe ist, die den Unterschied ausmacht.

Während beim Bien u.a. Mechanismen wie Brutnesttemperatur, Entwicklungsdauer, Zahl und Länge der Brutpausen, Ausräumverhalten oder Milbenbeißen eine Rolle spielen, könnten es beim Milb so Sachen sein wie: Reproduktionsgeschwindigkeit, Zahl der Nachkommen, oder das Meiden besiedelt gewesener Zellen sein.

Das sind nur einige der bekannten Einflussfaktoren und viele dieser Faktoren werden vermutlich von mehr als einem Gen gesteuert.

Und da sind gewiss noch weitere Einflussfaktoren, die noch gar nicht in Erwägung gezogen wurden.

Das Züchten von Varroaresistenz wird dadurch erschwert, dass
1. viele Merkmale beteiligt, die z.T. nicht unmittelbar zu beobachten sind.
2. Unbekannte Merkmale eine Rolle spielen können
3. Möglicherweise auch Merkmale der Milbenpopulation eine Rolle spielen

Bien und Milb (2) (genetische Vielfalt)

Theoretisch ist es denkbar, dass Apis mellifera durch die Varroa-Milbe ausgerottet würde, wenn der Mensch die Bienen nicht behandeln würde. Wenn unter allen im Genpool beider Arten vorhandenen Kombinationsmöglichkeiten keine dabei wären, die das Überleben möglich machen würde, dann wäre die Populationsgenetik an ihre Grenzen gestoßen. Aber alle mir bekannten diesbezüglichen Untersuchungen deuten in die andere Richtung. (Gotland, Südafrika, behandlungsfreie Imker usw.) D.h. wenn die Behandlung unterbleibt, gibt es nach großen Verlusten eine Stabilisierung und anschließendes Wachstum bis zum Ausgangsniveau. Eine wichtige Voraussetzung für die Überlebensfähigkeit unter veränderten Bedingungen ist eine möglichst große genetische Vielfalt der Population. Nur dann kann das freie Mendeln der Gene die im Zweifelsfall benötigten Konstellationen hervorbringen.

Die genetische Vielfalt im Genpool der Milben dürfte dadurch eingeschränkt sein, dass die Befruchtung in der Zelle stattfindet und dabei sich dabei in der Regel die Nachkommen der Muttermilbe miteinander verpaaren. Ausnahmen gibt es nur bei mehrfach parasitierten Zellen. Das Durchmischen des Genpools der Milben ist durch die Inzuchtlinien eingeschränkt. Dennoch gibt es auch hier genetische Variationen, die dann überwiegend vertikal weitergegeben werden. Und da wären dann unter natürlichen Bedingungen „mildere Milben“ im Vorteil.

Während bei den Milben die genetische Vielfalt durch die klonartigen Inzuchtlinien eher eingeschränkt ist, gibt es bei Apis mellifera das gegenteilige Phänomen: In der Praxis gibt es folgende Fälle:

  • 1) Eine Königin wird von 5-10 Drohnen aus mehreren Kilometern Umkreis befruchtet. Damit ist unter „normalen“ Umständen eine regelmäßige Durchmischung (= Auftreten vielfältiger Kombinationsmöglichkeiten) gewährleistet.
  • 2) Bei den Imkervölkern gibt es darüber hinaus zu Zuchtzwecken belegstellenbegattete Königinnen. Diese wurden in Abwesenheit anderer Völker nur von „Zuchtvölkern“ begattet (= geringere genetische Vielfalt).
  • 3) Außerdem gibt es die manuelle 1-Drohn-Besamung der Königin durch den Menschen (noch geringere genetische Vielfalt).

In der Praxis und in der Fläche dürften diese unterschiedlichen Vermehrungsformen zu einem Flickenteppich aus „gezüchtetem“ und „natürlichem“ Genmaterial geführt haben. Hinzu kommt der Import von Bienenrassen anderer Regionen und Kontinente. Meines Wissens gibt es keine Untersuchungen darüber, in welchen Umfang der Genpool von all diesen Faktoren geprägt wird. Die Bienenrassen „Carnica“, „Buckfast“ (Zuchtrasse) und und ev. Reste der (ursprünglich einheimischen) „dunklen Biene“ gibt es in Deutschland. Und vermutlich ein kunterbuntes Gemisch im jeweiligen Umfeld.

Viele Imker vermehren mit Brutablegern und kaufen weder Völker noch Königinnen. Bei denen läuft es wie unter 1.) beschrieben. Hier stellt sich automatisch ein regionaler Gen-Mix ein.

Ich gehe davon aus, dass die Zahl der natürlichen Bienenwohnungen in den letzten 2000 Jahren kontinuierlich abgenommen hat und die Zahl der menschengemachten Bienenkästen dafür spätestens ab dem Mittelalter zugenommen hat. Wahrscheinlich war die Römerzeit der letzte Zeitraum mit überwiegend baumhöhlenreichen Urwald in Deutschland und wahrscheinlich hat seit dem die Zahl der heimischen Urwälder stetig abgenommen.

Der züchterische Einfluss dürfte heute größer sein, als jemals zuvor. Trotzdem wird auch heute der Genpool nicht ausschließlich von den Züchtern gestaltet.

Apis mellifera war bis zum Auftreten der Milbe eine Species, die 1.auch ohne den Menschen prima zurechtkam. (Nur an brauchbaren Höhlen mangelt es.) und 2. Den Genpool mit ihren wilden Verwandten teilte. Darin unterscheidet sie sich von anderen Haus- und Nutztieren.

Die genetische Vielfalt ist eine wichtige Voraussetzung für das Überleben unter veränderten Umweltbedingungen. Die genetisch bedingte Ausprägung unterschiedlicher Merkmale gibt der Population die Möglichkeit, Merkmalskombinationen hervorzubringen, die für das Überleben der Art wichtig sein können. Die Potentiale eines vielfältigen Genpools zeigen sich in Krisenzeiten. Merkmale die sonst keine Rolle spielen, können auf einmal Bedeutung gewinnen. Wichtig ist, dass aus einer vorhandenen Vielfalt ausgewählt werden kann. Vielfältige (scheinbar unnütze) Gene sind wie ein Werkzeugkasten, auf dessen einzelne Instrumente die Natur bei Bedarf zugreifen kann.

Bien und Milb (1)

In der Natur überleben die am besten angepassten Individuen.

Bei der Co-Evolution mit Parasiten sind Wirt und Parasit besser angepasst, wenn beide überleben, als wenn beide sterben. (Letzteres kann sich nicht entwickeln, weil auf dem Weg dahin, die dazugehörigen Gene aussterben.) Bei der Beziehung zwischen unserer heimischen Honigbiene Apis mellifera und der Varroamilbe hat sich nichts entwickeln können, weil sie mit einem Knall durch Einschleppung herbeigeführt wurde. (Und weil in den folgenden Jahrzehnten systematisch und flächig Medikamente gegen die Milbe eingesetzt und dadurch natürliche Regulationsmechanismen außer Kraft gesetzt wurden.)

Alle biologischen Arten verfügen jeweils über einen mehr oder weniger umfangreichen gemeinsamen Genpool. Vererbbare Merkmale sind oft nicht besonders relevant für den Fortpflanzungserfolg und können deshalb im Genpool breit gestreut sein. Große und kleine, dicke und dünne, helle und dunkle Individuen können im Genpool vertreten sein, solange das fürs Gedeihen nicht besonders hinderlich ist. Ändern sich die Umweltbedingungen, dann können auch die Überlebensparameter andere werden. Angenommen, im Biotop taucht ein Räuber vom Typ schneller Jäger auf, dann sind auf einmal die kleinen, dicken Individuen unserer Beispielart besonders gefährdet. Es findet eine Selektion statt.

Für die Honigbiene Apis mellifera gab es durch das Einschleppen des Parasiten Varroa destructor eine radikale Veränderung. In einer natürlichen Umgebung wäre das Überleben (Tolerieren) des (zunächst überwiegend tödlichen) Parasiten das Hauptselektionskriterium bei den Bienen gewesen. Auch für den heimatfernen Parasiten war es blöd. Aufgrund der bei unserer heimischen Honigbiene gegenüber dem Ursprungswirt Apis cerana (asiatische Honigbiene) sehr viel höheren Reproduktionsrate führte die mitgebrachte Genausstattung die Milben (und die Mellifera-Bienen) direkt in den Exitus. Bei den Milben hätten unter natürlichen Bedingungen, weniger tödliche Linien einen Vorteil (die anderen gehen mit den Wirtsvölkern unter). Vereinzelte Genkombinationen , die ein Überleben ermöglichen, wären in der Natur die einzig mögliche Weiterentwicklung. Alle Indizien deuten darauf hin, dass so eine Weiterentwicklung stattgefunden hätte und stattfinden würde, wenn mensch das freie Spiel der Kräfte zulassen würde.

In der Realität kommen aber die Imker dazu. Dadurch wird das Spiel ein anderes.

Die heimische Honigbiene steht biologisch irgendwo zwischen Wildtier und Haustier. Der Genpool von Haustieren ist in der Regel frei von „wilden“ Einflüssen. Die Zucht von Hochleistungs-Milchkühen würde sich schwierig gestalten, wenn sich ungefragt auch immer wieder wilde Kühe dazwischen mischen würden. Bei Apis mellifera gab es aufgrund des freien Drohnenfluges aber immer auch „wilde“ Nachbarn, die fröhlich mitbefruchtet haben. Bis zur Ankunft der Varroa hat die einheimische Honigbiene sowohl in Imkerkästen als auch in Baum- und Mauerhöhlen gelebt. Vor allem die intensive Waldwirtschaft und das Verschwinden der heimischen Urwälder haben aber dazu geführt, dass der weitaus größte Teil der heimischen Honigbienenvölker bereits vor Ankunft der Milbe in Imkerhand war.

So unübersichtlich das genetische Geschehen zwischen „Wild“- und „Imker“-Völkern ist, so unterschiedlich ist der Umgang der Imker mit ihren Völkern. Es besteht für die Imker die Möglichkeit, durch ständiges Kaufen von Reinzuchtköniginnen, regional eine relative genetische Engführung herbeizuführen. Umgekehrt gibt es bei anderen Imkern auch jahrzehntelange Nicht-Beeinflussung.

Vor 2000 Jahren war das Bild noch ein anderes:

Damals wurde Germanien beschrieben als ein Land, „bedeckt von schrecklichen Wäldern oder abscheulichen Sümpfen.“ (Wikipedia). Menschen haben auch schon damals Honig bei den wilden Völkern geklaut, aber sie stellten noch keine künstlichen Behausungen zur Verfügung. Die Völker wohnten im hohlen Baum, und davon gab es reichlich.

Der hohle Baum wurde durch Abholzung und Waldwirtschaft im Laufe der Jahrhunderte ganz allmählich zum Auslaufmodell. Die Bienen zogen nach und nach in Klotzbeuten und Imkerkörbe um, die von den Menschen bereit gestellt wurden.

Der erste größere genetische Eingriff in menschlicher Obhut erfolgte durch die Verbringung  regionaler Rassen anderer Gegenden nach Deutschland.

Der zweite „Haustier“-Aspekt ist die aktive Bienenzucht in Bezug auf Sanftmut, Ertrag usw. Dazu müssen Zuchtvölker (mit besonders ausgeprägten gewünschten Merkmalen) auf interaktionsfreie(frei von Drohnen anderer Völker z.B. auf Inseln)  Belegstellen gebracht werden, damit gezielte Paarungen angebahnt werden können.

Leider ist es seriös kaum möglich, auch nur grob den Anteil menschengemachter Bienengenetik im Gesamt-Genpool abzuschätzen.

Am Genpool von Apis mellifera wurde zwar rumgezüchtet, der Genpool als Ganzes wurde aber nie bearbeitet, weil es ja immer noch Völker in den Wäldern gab. Außerdem waren die Imker zuchttechnisch schon immer breit aufgestellt, d.h. eine Vielzahl von ihnen hat nicht züchterisch eingegriffen.

Ironischerweise hat sich das erst mit dem Auftauchen der Varroa gründlich geändert. VOR der Varroa sind genetisch weniger vitale Völker unauffällig in der Versenkung verschwunden und zwar ganz unabhängig von züchterischen Bemühungen. NACH der Varroa wird flächendeckend behandelt. Das hat Folgen.

Der Genpool der Bienen und der Varroen findet jetzt eine Situation vor, in der durch Behandlung regelmäßig 90-99% der Varroen getötet werden. Ein Selektionsdruck auf den Genpool der Bienen und Milben kann so nicht aufkommen. Für die ganz überwiegende Zahl der Völker ist es überlebensmäßig unerheblich, welche milbenrelevanten Merkmale im Genpool vorhanden sind, da die Milben eh dezimiert werden. Krasser Scheiß auf der anderen Seite. Im Milben-Genpool, würden unter natürlichen Bedingungen die Gene der weniger reproduktionsfreudigen oder sonstwie bienenverträglicheren Linien bevorzugt werden. Die Dauermedikation gibt nun die entgegengesetzte Richtung vor: Wer sich nicht rasant vermehrt, lebt verkehrt (stirbt). Stabilisierende Eigenschaften, die bei den Milben die letale Wirkung auf den Wirt begrenzen, sind, falls im Genpool der Milben enthalten, unter diesen Umständen eher nachteilig.

Die Medikamente wirken deshalb wie ein züchterischer Eingriff. Allerdings in Richtung aggressiverer Milben und selektionsdruckbefreiter Bienenvölker.

Und die wenigen verbliebenen wilden Schwestervölker in Baumhöhlen und Mauerritzen? Kann nur vermuten. Hier war der Genpool der miteinander verbundenen Völker (Populationen) im Vergleich zum Genpool der im Umfeld lebenden Imkervölker vermutlich zu klein, um ein neues Parasit-Wirt-Gleichgewicht zu etablieren. Die wenigen vereinzelten wilden Völker sind einfach untergegangen. (Mit Ausnahme von ein paar kleinen Populationen in Belgien, Frankreich und anderen Ländern (www.mellifera.de)). (Nachtrag: Es gibt sie wohl doch noch – auch in Deutschland –  Siehe Post “Wildlebende Honigbienenvölker in Deutschland“)

Durch den Drohnenflug sind Bienenvölker genetisch bestens vernetzt und es bedarf einer größeren Anzahl von Völkern, die zudem relativ isoliert zu den umliegenden Populationen stehen, damit es einen Selektionsdruck in Richtung Überleben geben kann.

Das Traurige ist, dass das Wirken der Imkerschaft mit der flächendeckenden (und zunehmend intensiven?) Behandelei das Überleben der Biene als wildlebender Art in Mitteleuropa gefährdet.

Entfremdung

Die menschliche Geschichte überschlägt sich.

Um 1800 waren noch etwa 3/4 aller Arbeitskräfte in der Landwirtschaft tätig

Um 1900 waren es noch 1/5

Heute sind es weniger als 1/100

8 Generationen hat es gebraucht um aus gut geerdeten Menschen eine vollständig der Natur entfremdete Bevölkerung zu machen.      Gleichzeitig hat sich die Landwirtschaft selbst krass von der Natur entfernt. Früher kleinteilig und vielgestaltig wird die Monokulturisierung immer weiter vorangetrieben.

In der Gegenwart des angehenden 21. Jahrhunderts geht es den Menschen materiell besser denn je. Allerdings haben sie jede Bodenhaftung verloren.

Das kann nicht gut gehen. Es ist immer eine gute Idee, zu wissen, was einen erhält. Heute können die meisten Menschen Gerste nicht von Weizen unterscheiden und Flachs und Buchweizen (vor 100 Jahren noch wichtige Nutzpflanzen) sind den meisten völlig unbekannt.

Dabei kann das landwirtschaftliche naturnahe Arbeiten großen Spaß machen! Eigentlich müssen immer nur kleine „Einstiegswiderstände“ überwunden werden. Nach getaner Arbeit geht Körper und Geist dann aber oft besser als vorher.

Die gute Nachricht ist: JedeR kann da jederzeit mit anfangen.