Entfremdung 1

So leben wir in Deutschland heute: Schwindende Verbindung der Generationen. Die Kinder sind vom Arbeitsalltag der Eltern getrennt. Entscheidungen werden woanders gefällt. Die Arbeit hat nur noch geringe Produktionsanteile. Das was geschaffen wird, überblickt die Einzelne nicht mehr. Die Entdeckung der Sauberkeit – Hygiene hat die Sterblichkeit verringert. Mittlerweile wachsen die Menschenkinder so steril auf, dass Allergien in die Höhe schnellen. Auf der anderen Seite müssen die Menschen nicht mehr bis zum körperlichen Verschleiß arbeiten; werden sehr viel älter als ihre SteinzeitkollegInnen. Leider ist unsere Zivilisation im Allgemeinen und der Kapitalismus im Besonderen kein bewährtes System. Es ist ein offenes, gefräßiges System. KapitalistInnen wollen Mehrwert generieren und müssen dafür Produkte verkaufen, die mehr einbringen, als ihre Erzeugung gekostet hat. Es gibt keine Instanz, die über die Sinnhaftigkeit dieser Produkte wacht. Also werden Produkte ersonnen und beworben, egal ob sinnstiftend oder nicht. Die KonsumentInnen arbeiten, um Geld zu verdienen um sich damit Sachen zu kaufen, die sie eigentlich gar nicht brauchen. Das funktioniert, weil wir von klein auf der Gehirnwäsche ausgesetzt sind, die uns zum Kauf unsinniger Produkte treibt. Hier mal am Beispiel Auto: FahrerInnen glauben, dass sie das Auto brauchen, um schneller von A nach B zu kommen. Das ist in den meisten Fällen eine Illusion. Werden eingesetzte Arbeits- und Fahrzeit ins Verhältnis zu den gefahrenen Kilometern gesetzt, dann ist das Vorankommen ernüchternd langsam. Ivan Illich hat das mal für den Durchschnittsamerikaner in den 1970ern ausgerechnet: der war mit durchschnittlich 15 Kilometern pro aufgewendeter Stunde unterwegs. (“Die sogenannte Energiekrise oder die Lähmung der Gesellschaft. Das sozial kritische Quantum der Energie” von Ivan Illich, Reinbek bei Hamburg, 1974 (To do: das für Deutschland heute ausrechnen!) 15 Stundenkilometer – hey, da fahr ich doch lieber Fahrrad!

Die Wissenschaft hat festgestellt…

Dieser Tage stand in der Zeitung, dass Cholesterin-Aufnahme nicht zu einer Erhöhung des Cholesteringehaltes des Blutes führt. Bezogen auf Cholesterin sei es nun unschädlich, mehrere  Eier am Tag zu essen.

Jahrelang galt es als schädlich, mehr als ein Ei am Tag zu essen, weil das viele Cholesterin ins Blut geht. Jetzt heißt es: der Körper regelt den Gehalt unabhängig von der Zufuhr mit der Nahrung. Darauf ein Ei!

Es ist ein Phänomen der Wissensgesellschaft: Untersuchungsergebnisse werden überhöht und als Gewissheiten publiziert. Das Wissenschaftssystem bietet wenig Anreize, Fehlerquellen zu berücksichtigen. Vielmehr sind ForscherInnen auf Publizität angewiesen zwecks Legitimierung des eigenen Daseins. Dementsprechend sind wissenschaftliche Erkenntnisse mit Vorsicht zu genießen.

Systemfragen

Das Wissen wächst wie eine Kugel: mit der Vergrößerung vervielfachen sich die Berührungspunkte mit dem Unbekannten.

Das meiste Wissen ist völlig nutzlos.

Das meiste Wissen wird nicht zum Nutzen der Menschen verwendet.

Der Nutzen für Menschen ist kein wirksames Kriterium im globalen Gesellschaftssystem.

Ein global vernetztes Gesellschaftssystem gibt es erst seit wenigen Dekaden.

Nützliches Wissen wäre Wissen zum Erhalt und Nutzen aller Menschen.

Der Nutzen aller Menschen bestünde in deren jeweiligen Entwicklungs- und Entfaltungs-möglichkeiten.

Hier liegt eine Fehlsteuerung im System vor.

Das System setzt absurde und nicht nachhaltige Anreize.

Menschliche Individuen sind manipulierbar.

Systeme

Stabile Systeme sind gekennzeichnet durch negative Rückkopplungen. Eine negative Rückkopplung funktioniert nach dem Muster: je mehr – desto weniger.

Eine begrenzte Anzahl von Lebewesen in einem begrenzten Lebensraum mit begrenztem Nahrungsangebot wächst bis zu dem Punkt, wo es nicht mehr genug Essen gibt.

Wenn dann die Population aufhört zu wachsen ist das System stabil.

Wenn durch Zerstörung der Nahrungsgrundlagen, Vergiftung, Verbrauch von z.B. Wäldern etc. Grundlagen der Nahrungserzeugung zerstört werden, dann kann das System zusammenbrechen.

Dem Zusammenbruch geht zumeist ein exponentielles Wachstum voraus.

Eine kleine Geschichte der Menschheit

 

Seit es Menschen gibt haben sie sich immer „selbst versorgt“, waren Selbstversorger. Noch meine Großmutter wuchs in einem Haushalt auf, wo von Nahrung bis Kleidung alles selbst gemacht wurde. Der Verbrauch an natürlichen Rohstoffen beschränkte sich mehr oder weniger auf das, was nachwuchs. Ob die Menschen bis dahin glücklicher oder weniger glücklich waren als heute ist Ansichtssache. Keine Ansichtssache ist, dass seit dem ein enormer Verbrauch an Natur und Rohstoffen stattgefunden hat, dass Müll (pazifischer Müllteppich von der Größe Europas) und Gifte sich anreichern. Allgemein anerkannt scheint auch zu sein, dass es eine menschengemachte Klimaerwärmung gibt.

Das müsste nicht sein.

Und bringt den einzelnen Menschen auch wenig.

Trotzdem passiert es.

Was ist da los?

Der Mensch hat seine Wurzeln in Afrika. In der Steinzeit lebten die Menschen in kleinen Gruppen als Jäger und Sammler. Die Erde war nur von einigen zehntausend Menschen bevölkert. Aus dieser Zeit stammt unsere biologische Grundlage, die genetische Grundausstattung. Unsere biologische Programmierung ist auf das Zusammenleben in überschaubaren Gruppen ausgelegt. Es gibt eine Reihe von unwillkürlichen Reaktionen im menschlichen Verhalten, die auf diese Programmierung zurückgehen. Ein paar Beispiele: Kleinkinder werden mit Wohlwollen betrachtet (Kindchenschema). Eine glatte, straffe Haut wird als attraktiv empfunden, bei Frauen die Sanduhrform (sichert den Erfolg der Fortpflanzung). Bei Gefahr wird Adrenalin ausgeschüttet, der Mensch ist dann bereit zu Angriff oder Flucht.

Paarbindung und Kinderaufzucht werden auf diese Weise gefördert. Aber auch das Zusammenleben in Gruppen wird durch ein Gruppenzugehörigkeitsgefühl und ein ausbalanciertes Zusammenspiel von Aggression und Friedfertigkeit, von Egoismus und Altruismus ermöglicht.

Die Erfindung der Landwirtschaft legte vor ca. 10.000 Jahren die Grundlage zur Ernährung einer weit größeren Zahl von Menschen. Landwirtschaft und Metallbearbeitung waren Leistungen, die aus unserer biologischen Grundausstattung nicht abzuleiten sind. Aber noch heute gibt es Menschengruppen, die auf jungsteinzeitlichem Niveau überleben. Das Gen für Landwirtschaft und Metallbearbeitung gibt es nicht. Diese neuen Entwicklungen sind kulturelle Entwicklungen die auf der Weitergabe von Informationen von einer Generation an die nächste basieren. Versuch und Irrtum über Generationen innerhalb der jeweiligen Kulturen. Die Kulturen haben sich dabei in unterschiedliche Richtungen entwickelt, waren aber überwiegend mehr oder weniger stabil nach Innen wie nach Außen.

Und dann ist etwas schief gegangen. Unter hunderten von Kulturen der Menschen hat sich herausgebildet was wir heute „western civilisation“ nennen. Ausgehend von analytischen Prinzip (Aristoteles) mit dem Instrument der Logik konnte auch ohne tieferes, ganzheitliches Verständnis ein großes Rad gedreht werden. Das Verstehen der Zusammenhänge ist bis heute nicht viel größer geworden, das Rad aber schon, so dass die Menschen Strukturen geschaffen haben, die sie selbst nicht mehr überblicken. Da aber die analytische Methode technische Fortschritte ohne Ende hervorbringt hat die westliche Zivilisationen alle anderen Kulturen überformt oder ist dabei.

Harry Hellfors